Es ist Mitte April 2018. Vor zwei Wochen haben wir recht spontan entschieden, die Alpen mit dem Mountainbike zu überqueren – zum zweiten Mal. Anfang September werden wir das schönste Gebirge der Welt also erneut mit unseren MTBs befahren.
Unsere letzte Alpenüberquerung führte uns von Mittenwald an den Gardasee. Wir wählten damals eine Einsteigertour, die technisch nicht zu anspruchsvoll war. Zwar fuhren wir wenig Asphalt, aber eben auch wenige radikale Trails. Im Schnitt fuhren wir etwa 1.500 Höhenmeter pro Tag.
In diesem Jahr sollte es etwas anspruchsvoller werden, zumindest in technischer Hinsicht.
Fragen vor einer Alpenüberquerung
Bevor man die Alpen das erste Mal mit dem Mountainbike überquert stellt man sich verständlicherweise sehr viele Fragen. Und das zu Recht!
Nachdem man das Abenteuer Transalp aber hinter sich gebracht hat, stellt man fest, dass viele dieser Fragen weniger relevant sind, als man zuvor gedacht hat.
Insofern gingen wir die Alpenüberquerung in diesem Jahr vergleichsweise locker an, schließlich haben wir die Prüfung „MTB Transalp“ schon einmal bestanden.
Die naheliegendste Frage ist logischerweise die der eigenen Fitness. Dass eine Transalp mit dem Mountainbike kein Sonntagsspaziergang ist, wird jedem klar sein. Unsere Erfahrung ist aber, dass man auch keine Angst vor der Belastung zu haben braucht. Man muss fit sein, mehrere Stunden im Sattel sitzen können und vor der Alpenüberquerung möglichst viele Höhenmeter gefahren sein. Aber, viel ist eine Frage der Geschwindigkeit. Wenn man sich ausreichend Zeit nimmt, die Strecke entsprechend plant und notfalls mal absteigt und schiebt, ist die Belastung mehr Genuss als Qual.
Neben dieser und vielen weiteren Fragen, gibt es zwei Kardinalfragen, die sich jeder künftige „MTB Transalper“ im Vorhinein stellen sollte. Die erste Frage ist, ob man eine organisierte Transalp machen möchte oder ob man die Alpenüberquerung selbst organisieren möchte. Die zweite Frage ist, ob man sein Gepäck selber im Rucksack mitnehmen möchte oder einen Gepäcktransport in Anspruch nimmt.
Ausführlich beschäftigen wir uns mit der Organisation einer Radreise auch in unserem Blogartikel: Mit dem Fahrrad reisen: von der Radtour bis zur Radreise.
MTB Transalp: Organisiert oder selbst organisiert
Nicht nur aufgrund der zunehmenden Präsenz der E-Mountainbikes in den Alpen, ist es derzeit recht populär, die Alpen mit dem Fahrrad zu überqueren. Insofern finden sich inzwischen sehr viele Veranstalter, die geführte und / oder organisierte Touren anbieten. Die Veranstalter kümmern sich auf Wunsch um das ganze Abenteuer. Neben dem begleitenden Mountainbike-Guide, der Streckenplanung, der Buchung der Unterkünfte auch um den Gepäcktransport.
Die Vorteile einer solchen organisierten Tour liegen auf der Hand: Der Planungsaufwand ist vergleichsweise gering. Nach der Anreise begibt man sich in erfahrende Hände und kann sich auf das Radeln und Genießen konzentrieren.
Wer das Abenteuer Transalp hingegen auf eigene Faust durchführen möchte, muss alles selbst organisieren. Die Tourenplanung muss man dabei nicht zwangsläufig selbst erarbeiten, da schon viele Touren auf einschlägigen Webseiten und in Büchern zu finden sind. Mit den gpx-Daten der Touren, die man entweder kostenlos herunterladen oder kaufen kann, füttert man sein Navigationsgerät und die Strecke steht.
Wie man diese erste Kardinalfrage beantwortet, ist insofern von einem Selbst und seinen Mitstreitern abhängig. Hat man Freude an der Planung? Beherrscht man die Navigation und kennt sein Navigationsgerät gut? (Wichtig) Wie viel Aufwand bin ich bereit in die Planung zu stecken?
In jedem Fall ist eine realistische Selbsteinschätzung von Nöten. Die Frage, wie bergerfahren ich bin, sollte sich jeder Sportler bei Aktivitäten im Hochgebirge stellen. Hier gilt: Übermut tut selten gut!
MTB Transalp: Gepäcktransport oder alles Gepäck am Mann
Die zweite Kardinalfrage ist die nach dem Gepäcktransport. Wir haben uns bei unserem ersten Alpencross dafür entschieden, einen Gepäcktransport in Anspruch zu nehmen. Zum einen, weil wir keine Lust hatten, mit einem verhältnismäßig schweren Rucksack zu fahren und zum anderen, weil wir viel Lust hatten, abends in frischen Klamotten Essen zu gehen. Damals (2014) gab es zumindest nach unserer Recherche lediglich einen Anbieter (bikeshuttle.it), der einen Gepäcktransport singulär – also ohne Tourenplanung, Guide und sonstige Buchungen – anbot.
Es leuchtet ein, dass man ohne organisierten Gepäcktransport fein damit sein muss, sechs bis sieben Stunden mit einem Rucksack auf dem Rücken Berge zu erklimmen. Fakt ist auch, dass man im Falle eines Gepäcktransports, nicht oben in den Bergen nächtigen wird. Verständlicherweise werden die Gepäckstücke eher nicht auf die Hütten oben in den Bergen gebracht. Bucht man also einen Gepäcktransport schläft man zwangsläufig im Tal.
Wir wollten auch bei unserer diesjährigen Transalp unser Gepäck transportieren lassen. Bei unserer Recherche fanden wir drei Anbieter: Den uns schon bekannten bikeshuttle.it, daneben bergbiken.de und mountainbike-tours.eu
MTB Transalp: Weitere Fragen
Was sollte man noch überlegen bevor man aufs Mountainbike steigt, um die Alpen zu überqueren?
Wie oben schon erwähnt, sollte man sich für eine Strecke entscheiden, die den persönlichen Anforderungen und Fähigkeiten entspricht – insbesondere dann, wenn man die Alpen zum ersten Mal in Angriff nimmt.
Ob man den Alpencross mit einem Hardtail oder Fully bewältigen will, ist letztlich eine Frage der persönlichen Vorlieben. Tatsache ist, dass man auch mit einem Hardtail gut über die Alpen kommt. Wir fuhren beide Transalps mit Hardtails. Auch die Frage, ob Klickpedale oder Flatpedal bevorzugt wird, kann jeder nur für sich selbst beantworten.
Tipp: Nutzt in jedem Fall Bikes und Material (insbesondere den Sattel), das ihr kennt und gewohnt seid. Es ist durchaus riskant, kurz vor der Transalp zu wechseln.
Der günstigste Zeitraum für eine Alpenüberquerung sind die Monate Mai bis September. Natürlich ist auch das abhängig davon in welche Höhen der Alpencross führt.
MTB Transalp Packliste (Fahrrad):
- Ersatzschläuche
- Mantel
- Flickzeug (selbstklebend)
- Pumpe
- Fahrradwerkzeug Tool (Miniwerkzeug)
- Mantelkleber (falls der Mantel reißt, einfach von innen einkleben, dann kommt der Schlauch nicht raus)
- Kettenschloss
- Bowdenzug
- Reinigungspaste
- Ersatzspeiche
- Kettenöl
- Lappen
- Vaseline
- Erste Hilfe Pack
- Sonnencreme
Unter den entsprechenden Keywords (z.B. Transalp Packliste) findet man im Netz vielerlei nützliche Infos.
Ohnehin macht es Sinn und Spaß, sich in das Thema MTB Transalp einzulesen bevor man auf Tour geht. Sowohl online als auch in der Literatur findet man ein breites Potpourri an Informationen.
Ein letzter Tipp zur Organisation:
Sprecht euch innerhalb eurer Gruppe ab, wer was mitnimmt. Nicht jeder benötigt eine Pumpe, Fahrradwerkzeug oder Sonnencreme. Schon so lässt sich deutlich Gewicht einsparen, worüber sich die Oberschenkel am Berg wirklich freuen.
MTB Transalp: Erfahrungsbericht
Wir haben uns für unsere diesjährige Tour wie gesagt für eine technisch recht anspruchsvolle Route entschieden. Ziel sollte diesmal der Lago di Como sein, Ausgangspunkt Ischgl. Die Route haben wir uns im Netz und aus Büchern selbst zusammengestellt. Den Gepäcktransport buchten wir wiederum bei bikeshuttle.it. Highlight, soviel sei schon jetzt verraten, sollte die Uina Schlucht sein.
MTB Transalp: Tag 1
Wir erreichten abends unser zuvor in Ischgl gebuchtes Hotel. Die Wetteraussichten für die ganzen fünf Tage waren sehr gut. So bestiegen wir am nächsten Morgen unsere Mountainbikes bei strahlend blauem Himmel. Erstes Zwischenziel des Tages war der Fimberpass (2.608 m). Wir bekamen es insofern direkt mit 1.200 Höhenmetern am Stück zu tun. Auf den ersten Kilometern konnte man das Problem der touristischen Alpennutzung hautnah spüren, da oberhalb von Ischgl eine neue Gondelstation gebaut wird und wir die ersten Kilometer eine mehr oder minder befestigte Straße fuhren. Diese teilten wir uns mit vielen LKWs und PKWs, die die Baustelle anfuhren bzw. verließen Hinter der Baustelle begrüßten uns die Alpen aber dann mit allem was man sich wünscht, traumhafte Bergwelten, Murmeltiere und deren Pfeifen, Kühe, Pferde und ein sehr schöner Trail (leider bergauf 😉). Kurz unterhalb des Fimberpasses kehrten wir in der Heidelberger Hütte ein und füllten unseren Kalorienhaushalt mit Knödelsuppe auf. Von der Heidelberger Hütte ging es spektakulär weiter Richtung Fimberpass, den wir stolz erreichten. Die Aussicht in die umliegenden Berge und Täler war atemberaubend. Die abschließende Abfahrt Richtung Scuol, unserem zweiten Übernachtungsort, hatte es in sich. Schmale Trails in steilem Gelände mit viel Schotter und großen Steinbrocken erforderten viel Konzentration. Auf der Abfahrt mussten wir zweimal Zwangspausen einlegen, da der raue Trail Opfer forderte – in Form von zwei Platten. Nicht nur aufgrund der Reparatur-Pausen dauerte die Abfahrt verhältnismäßig lang. Fakt ist, dass eben auch eine Abfahrt in einem solch anspruchsvollen Gelände seine Zeit braucht. Im Tal angekommen nahmen wir noch einige Höhenmeter und erreichten gegen 16:45 glücklich und schlapp Scuol. Die erste Etappe mit 1.500 Höhenmetern hatten wir bewältigt.
MTB Transalp: Tag 2
Am nächsten Tag fuhren wir erneut unter strahlend blauem Himmel einige Kilometer den Inn entlang und bogen ab in die sagenumwobene Uina Schlucht. Unser Tagesziel hieß Santa Maria im Münstertal. 1.700 Höhenmeter standen uns heute in Gänze bevor, bis zum Ende der Uina Schlucht 1.100 Höhenmeter.
Im oberen Teil der Uina Schlucht muss man sein Mountainbike schieben, nicht nur weil es verboten ist zu fahren, sondern auch, weil es hier Passagen gibt, die einfach nicht fahrbar sind. Vor einigen Jahren verunglückte ein Mountainbiker in der Uina Schlucht, weil er diese hinabfahren wollte, dabei jedoch abstürzte. Das wussten wir und waren insofern gewarnt.
Unterhalb der Uina Schlucht befindet sich eine bewirtschaftete Hütte, in der wir ein Getränk nahmen, um uns für den anspruchsvollen Teil zu wappnen. Die Schlucht selber hält alles was man darüber liest bzw. auf Bildern sieht. Es ist wirklich wunderschön!
Man sollte schwindelfrei sein, wenn man sich für eine Tour durch die Uina entscheidet. Der Weg ist ein bis eineinhalb Meter breit, zum Teil gibt es ein Geländer zur Schlucht, zum Teil verläuft ein Sicherungsseil am Fels und zum Teil gibt es weder das eine noch das andere. Mehrfach haben wir uns gefragt wie die Durchquerung wohl bei schlechtem Wetter verlaufen wäre.
Nach der Uina kommt man auf ein sehr schönes Hochplateau, das man durchquert, um über den Sesvenna Pass am anderen Ende die Sesvenna Hütte zu erreichen. Hier kehrten wir ein und schlugen uns den Magen voll. Mit Blick auf das Vischgau nahmen wir die rasende Abfahrt über größtenteils befestigte Wege und Wiesen. Auf dieser Abfahrt bringt man die Bremsen zum Glühen. Nie waren Scheibenbremsen sinnvoller als hier! Im Münstertal angekommen fuhren wir Richtung Santa Maria zu unserem Hotel.
MTB Transalp: Tag 3
Am Morgen begrüßte uns wieder ein tiefblauer Himmel. Wir verließen Santa Maria Richtung Italien mit dem Tagesziel Livigno. 1.400 Höhenmeter standen heute auf dem Programm. Über das Val Vau erreichten wir den Döss Radond auf 2.234 m. Von dort ging es durch das wunderschöne Val Mora Richtung Passo Val Mora. Bei der Abfahrt zum Lago di Cancano über wunderschöne Trails parallel zu einem Fluss fühlt man sich wie in British Columbia. Nach einer Rast in einem Resto am Lago di Cancano, das von vielen Mountainbikern besucht war, nahmen wir unsere letzten Höhenmeter für heute in Angriff. Steigungen von 30 Prozent auf Schotter zwangen uns mal wieder zum Schieben. Über ein Hochtal erreichten wir mit 2.313 m den höchsten Punkt des Tages. Die anschließende Abfahrt zum Lago di Livigno ist schön und auch schön steil. Hier merkt man sein Arme und es keimt der Wunsch auf, sein Mountainbike beim nächsten Alpencross mit einer Vario Sattelstütze auszustatten. Über Trails durch Zedernwälder erblickten wir den Lago di Livigno und radelten an diesem entspannt bis zu unserem Hotel mitten in Livigno.
MTB Transalp: Tag 4
Sonne wem Sonne gebührt. Auch am vierten Tag wurden wir in Livigno sehr sonnig begrüßt. Zwischen Livigno und unserem heutigen Ziel Sils Maria im Engadin erwarteten uns 1.500 Höhenmeter. Von Livigno radelten wir durch das Alpe Vago. Im Alpe Vago stießen wir im Anstieg zum Forcella di Livigno auf zwei Jäger (Wilderer?), die gerade einen Hirsch geschossen hatten – eine sehr archaische Szenerie. Auf der Passhöhe verließen wir Italien und fuhren in die Schweiz, um von dort noch einige hundert Höhenmeter weiter bergan zu fahren. Nächstes Zwischenziel war der Bernina Pass. Diesen erreichten wir mit einem herrlichen Blick auf den Lago Bianco.
Nach einer ausgiebigen Mittagspause auf dem Bernina Pass fuhren wir hinab Richtung Pontresina, wobei wir außergewöhnliche Flowtrails genießen durften. Über St. Moritz erreichten wir vollkommen durchnässt Sils Maria. Regen wem Regen gebührt! In St. Moritz fing es tatsächlich an zu regnen und zum ersten Mal bei dieser Transalp war die Sonne uns nicht hold.
MTB Transalp: Tag 5
Der letzte Tag unserer diesjährigen Transalp sollte ein vergleichsweise ruhiges Ausfahren nach Colico zum Comer See werden. Es standen lediglich noch 600 Höhenmeter an, die wir insbesondere auf den ersten Kilometern abritten. Von Sils Maria ging es in die Wälder oberhalb vom Silsersee Richtung Malojapass. Diesen überfuhren wir auf der Straße. Ab dort ging es hauptsächlich auf Radwegen Richtung Süden, wo wir nachmittags glücklich und zufrieden den Lago di Como erblickten. Wir hatten es wieder geschafft, die zweite Transalp war Geschichte 🙂
Transalp: Was bleibt?
Was bleibt von einer Transalp? Bleiben werden definitiv atemberaubende Bergbilder, die man nie vergessen wird. Diese Bilder sind verbunden mit Eindrücken, Gerüchen und Empfindungen, die hoffentlich noch lange vorhalten. Und auch wenn Stolz ein schwieriges Wort ist, empfindet man ein Gefühl, das sich am besten mit diesem Wort beschreiben lässt.
Was aber definitiv das Wichtigste ist: Niemand ist gestürzt, niemand hat sich verletzt und niemand musste die Transalp abbrechen. Insofern bleiben keinerlei negative Erinnerungen an fünf faszinierende Tage in den Alpen.
Wir kommen wieder!
Keep on riding…
Download der GPX Daten Lucky Bike Alpencross (ggf. rechte Maustaste, „Link speichern unter“)
Christian
Christian fährt Fahrrad seit er denken kann. Nach dem ersten Kinderfahrrad mussten seine Eltern ihm ein Bonanza Fahrrad schenken. Im jugendlichen Alter machte er mit seinem BMX die Wälder unsicher.
Heutzutage fährt er am liebsten Mountainbike, egal ob über die Alpen oder durch die Stadt – für Christian funktioniert ein MTB überall und immer. Er arbeitet daher voller Überzeugung im Onlinemarketing für Lucky Bike.