Herr Gelbhaar, wie ist Ihre Meinung zur Verkehrswende?

Verkehrswende in Deutschland: Interview mit Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen)

Für unsere Interviewreihe zum Thema Verkehrswende haben wir mit vielen Experten aus den Bereichen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft gesprochen. In diesem Interview haben wir mit Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grüne-Fraktion des Bundestages, gesprochen.

Herr Gelbhaar, was sind aus Ihrer Sicht die Hindernisse, eine nachhaltige Verkehrswende herbeizuführen?

Die Hindernisse sind vielfältig. Zum einen fehlt es aktuell am politischen Willen. Die Große Koalition samt Verkehrsminister Scheuer ignoriert beispielsweise die offenen, klaren Aufgaben. Die Aufgaben ergeben sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, aber auch aus Trends wie der zunehmenden Urbanisierung, aus Chancen wie der Digitalisierung usw. Daneben ist das Straßenverkehrsrecht an vielen Stellen arg veraltet, etwa die StVO. Schließlich gibt es keine adäquate Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr, auf dem Land fehlt es an öffentlichen Verkehrsangeboten, etwa mit Bus und Bahn. Die finanziellen Mittel werden von CDU, CSU und SPD weiterhin in riesigen Teilen in neue Autobahnen gesteckt. Auch die zu knapp vorhandenen Fachkräfte werden zu wenig für nachhaltige Verkehrsmittel eingesetzt.

Der Anteil des Fahrrads am Verkehrsaufkommen in Deutschland soll steigen. Zurzeit werden in Deutschland rund 11 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad erledigt. Länder wie Dänemark (18 Prozent) und die Niederlande (27 Prozent) zeigen, dass hier noch Potenzial nach oben besteht. Welche konkreten Handlungsempfehlungen erachten Sie als sinnvoll?

Wir brauchen eine konsequente Verbesserung der Radinfrastruktur in der gesamten Bundesrepublik. Das beginnt bei mehr und besseren Radwegen inner- wie außerorts, geschützte Radstreifen, Fahrradstraßen, Radschnellwege. Dazu braucht es die entsprechenden Fachkräfte und finanziellen Mittel, im Verkehrsministerium genauso wie in den Kommunen. Der Rechtsrahmen etwa in der StVO muss deutlich vereinfacht werden – bislang ist es z.B. eine jahrelange Tortur, auch nur eine Fahrradstraße einzurichten. Die Verknüpfung aus Bahnfahren und dem Fahrrad als Zubringer muss angegangen werden – mit guten Fahrradparkhäusern, Leihradsystemen und einem Mobilpass, der alle Mobilitätsangebote darstellt und verknüpft.  Und auch die Betriebe müssen aktiviert werden, mit attraktiven Anreizen für Fahrrad-Pendler*innen gibt es in den Niederlanden exzellente Erfahrungen.

Gibt es in Bezug auf das Fahrrad schon Ansätze oder Beispiele in Deutschland, die Sie als besonders zielführend bezeichnen würden?

In den Kommunen passiert hier und da schon einiges. Radentscheide, Critical Mass oder – traurigerweise – Mahnwachen rütteln die Verantwortlichen auch immer wieder auf. Sicher ist das Mobilitätsgesetz in Berlin mit seinen konkreten Zielen für den Radverkehr hervorzuheben. Das inzwischen auch mal schnell gehandelt wird, wie mit den Pop-Up-Bikelanes, ebenso. Dass Kiezblocks und Diagonalsperren kommen, ist an einigen Orten ausgemachte Sache oder schon passiert. In Bremen gibt es die erste Fahrradzone. Karlsruhe wird aktuell vor Münster als Fahrradstadt genannt. Das Fahrradparkhaus in Münster, aber auch andere etwa in Bernau zeigen, dass das kein Zauberwerk ist. Und natürlich die beständige Arbeit von allerdings noch zu wenigen Verkehrsdezernent*innen vor Ort. Es ist gut, dass wir in dieser Legislaturperiode endlich Radprofessuren durchdrücken konnten, die jetzt initiiert sind. Die Debatte über die Umfeldsicherheit von Autos hat mit den Abbiegeassistenten begonnen. Viel zu spät, weil die Technik schon über 10 Jahre existiert – aber zumindest jetzt ist klar, an Sicherheitstechnik nicht nur für Insassen, sondern auch für alle anderen, wird man künftig nicht mehr vorbeikommen. Dafür sorgen wir, aktuell mit einem Gesetzesentwurf für Verkehrssicherheitszonen. Die Forderung nach sicherem Radfahren wird nicht mehr weggehen, das ist wichtig.

Welches Fahrrad fahren Sie und wofür nutzen Sie es hauptsächlich?

Ich fahre sehr gerne mit meinem, allerdings älterem, Bergamont-Mountainbike, es rollt einfach unglaublich gut. Hauptsächlich für die vielfältigen Arbeitswege, Termine im Kiez und Wahlkreis. Und natürlich auch mal für eine Fahrradtour.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Überblicksartikel 'Die Verkehrswende in Deutschland'
Veröffentlicht am 05. März 2021

Matthias

Schon als Kind im flachen Ostfriesland war das Rad das Fortbewegungsmittel Nr. 1.
Mittlerweile hat es ihn ins Rheinland in den Großstadtdschungel Düsseldorf verschlagen, aber auch hier hat sich eines nicht geändert: Das Bike ist immer dabei. Neben den alltäglichen Touren fährt er regelmäßig mit dem Rennrad in den niederrheinischen Weiten.

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